Maria Barnas: Wo weilst du–An die ferne (entfernte) Geliebte

Ein Gespräch, ein Briefwechsel, ein Zusammenstoß

zwischen Alois Isidor Jeitteles, Ludwig van Beethoven, Jemandem und X.

In den Hauptrollen: Elizabeth Audrey, Susanne Leitz-Lorey, Martin Nagy und GPT-3

(2023)

Jemand schreibt einen Brief an X.
Mein engel, mein alles, mein ich …

Das Handgeschriebene kommuniziert mit einer Maschine, die von einem KI-Chatbot gesteuert wird; die Vergangenheit korrespondiert mit der Zukunft. Verschiedene Zeiten überlagern sich in diesem Stück, in dem die menschliche Stimme einen desorientierten Ton anschlägt und eine Verbindung mit dem Unbekannten sucht.
Zwischen dem Schreiben eines Briefes–basierend auf einem nie abgeschickten Liebesbrief Beethovens–und dem Warten auf eine Antwort von dem Unbekannten prallen Fragmente von Beethovens An die ferne Geliebte, neue Gedichte und technische Geräte aufeinander und kollabieren, münden in ein verzerrtes Duett und streben nach Glückseligkeit. Maria Barnas

Someone is writing a letter to X.

It may be longing itself

that someone is addressing.

Mein engel, mein alles, mein Ich …

Is our collective intelligence artificial?

Is intelligence natural?

And what about intuition, someone wonders.

Is X a kind of love?

Is X the unknown?

Someone isn’t finding the right words,

as their images are rippling

in the hive-mind, adjusting to a shifting

past, a present, an immediate and a far-off future

and what is happening, breaking down

in between and meanwhile?

… und wenn ich mich im Zusammenhang

des Universums betrachte, was bin ich …

Someone writes, rewrites lyrics from an old song.

Does someone remember the melody?

It is something to lose.

It is something to hold onto.

Someone sings into a blue distance of hills

a blue of a flickering screen.

A sun is setting in shades of purple

fading into red.

Someone is waiting for an answer.

But what temperature should the hivemind be given.

What length should the answers have.

What does someone want to hear.

Ach–Es gibt Momente, wo ich finde

daß die sprache noch gar nichts ist …

Should someone consider an algorithm

for morality? For love and life and death.

Someone scratches shapes on a surface.

They remind someone of someone.

X considers a reply.

Maria Barnas (*1973 in Hoorn) entwickelt als Dichterin und bildende Künstlerin ihre vornehmlich sprachbasierten Arbeiten in Gestalt von Gedichten, Essays, Audioarbeiten, Filme und Installationen.
Barnas studierte an der Rietveld Academie und an der Rijksakademie in Amsterdam. Sie hat drei Romane und fünf Gedichtbände veröffentlicht, für die sie mehrere Literaturpreise erhalten hat. Ihr jüngster Gedichtband ist Diamond without an r (Prologue), erschienen 2022. Seit 2016 ist sie Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Künste und Wissenschaften (KNAW).
In ihrer Arbeit ist die Sprache eine Domäne von Machtstrukturen, die es zu analysieren und zu thematisieren gilt, mit allen damit verbundenen Bedenken und Fragen. Eine immer wiederkehrende Frage ist: Wie beeinflusst die Sprache das, was wir sehen und glauben zu verstehen? Sowohl ihre Poesie als auch ihre bildende Kunst präsentieren verblüffende Erzählungen und alternative Geschichten, die zum Nachdenken anregen und unsere Vorstellung von der Realität in Frage stellen.

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Maria Barnas: Wo weilst du–An die ferne (entfernte) Geliebte

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