One line

Daniel Gloger: Tis Nature’s Voiceas in a borrowed life

Performance für Countertenor und Elektronik

(2023)

Es ist ein Wagnis, sich als Sänger-Performer an das sprachgewaltige Œuvre von Luljeta Lleshanaku anzunähern, die sich mit ihrer Lyrik wahrhaftig die Seele aus dem Leib schreibt. Wie kann man diese auf engstem Raum erzählten Bilder ihrer Vorfahren, ihrer Erlebnisse von der albanischen Kindheit bis zu ihren Erfahrungen in den USA, wo sie eine zweite Heimat fand, sowie der immer durchscheinenden Menschheitsgeschichte zum Klingen bringen?

 

In der ersten Hälfte der zweigeteilten Performance steht der Zyklus »negative space« im Zentrum. Der »Raum«, den sich Luljeta Lleshanaku in diesem Zyklus erobert, ist angefüllt mit Erlebtem, Vorgefundenem und Klängen: eine Selbstbehauptung und Selbstfindung im Widerstreit mit einem sie immer umgebenden Kraftfeld voll Kultur und Geschichte, aber auch voller Gewalt und Repression.

 

Ganz persönlich und intim beginnt der zweite Teil. Nun wird die elektronisch vervielfachte Stimme zum textlosen Instrument der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, immer in unmittelbarer Reaktion auf die ausgewählten Texte, die als Kondensat von Luljetas lyrischem Schaffen kristalline Klarheit entfalten.

So, wie die Autorin ihre Stimme erhebt und im stetigen Bewusstsein ihrer Wurzeln universelle Poesie kreiert, spiegelt der Gesang die Auflösung des Individuums in der Gemeinschaft aller wider, oder in Luljetas Worten: »Zuletzt bin ich frei von der Illusion der Freiheit. Jetzt bin ich frei.«

(Daniel Gloger)