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Evis Sammoutis: Sculpting Air

for five voices

(2013/2014)

Ein Strand im Südosten Zyperns, am dem der griechischen Sage nach die Göttin Aphrodite dem Meer entstiegen ist, ist der symbolische Geburtsort für Sculpting Air. Der Mythologie seiner Heimat genauso verbunden wie den Klängen von Wind und Meer, hat Evis Sammoutis ein beziehungsreiches Konzentrat von Sagen und Mythen entworfen, die ihren Ursprung in Zypern haben: Othellos Mord an Desdemona, Pygmalion, der die von ihm in Stein gehauene und gleichwohl angebetete Venusstatue mit seinem Kuss zum Leben erweckt, Medusa wiederum, die jeden, der sie anblickt, in Stein verwandelt, und die Sirenen, die die Männer mit ihrem Gesang in den Tod locken. Bewusst wählte Sammoutis Geschichten von Geburt, Liebe, Schönheit und Tod aus verschiedenen Epochen, um so die Universalität und Zeitlosigkeit dieser Charaktere zu betonen. Nach der Aufstellung der Figuren, die alle mit Metamorphose, mit Übergängen oder Verwandlungen zu tun haben, nimmt die poetische Materialsammlung allerdings eine überraschend profane Wendung hin zur (nicht nur) mediterranen Lebenswirklichkeit und zur reparaturbedürftigen Waschmaschine der Familie Sammoutis. Die unterschiedlichen Waschmaschinenschläuche auf dem Wagen des Klempners regten Sammoutis’ klangerforschende Phantasie derart an, dass er sie zum Ausgangsmaterial seiner musikalischen Ideen für das Stück nahm. »Meine Absicht war, andere Klanggestalten zu erschaffen als die, die ich von Vokalkonzerten her kannte. Ich nutzte die Röhren als Mittel, um den Klang zu filtern, Klang zu kreieren und um die Stimmen der Sänger zu färben, verstärken und artikulieren.«
Neben Röhren unterschiedlicher Länge (die, über den Köpfen der Sänger geschwungen, auch eine Metapher für Medusas Haupt voller Schlangen abgeben) spielen die fünf Sänger, die in großem Abstand kreisförmig im Raum positioniert selbst eine Art Skulptur bilden, auch Harmonikas, um in anderer Weise den Stimmklang zu erweitern. Die feinen Obertonklänge der geschwungenen Röhren bilden das harmonische Gerüst des Stückes, und so entwickelt sich allmählich eine bewegte Klangskulptur aus Wispern, Hauchen, flötenartigen Tönen, in die sich nach und nach die reinen Vokalklänge der Sänger mischen und aus der sich die zwei ineinander verstrickten Minidramender Mord an Desdemona und die Inkarnation der Galateaherausschälen.
Sculpting Airdas »Formen von Luft«hier sieht sich der Komponist vielleicht selbst wie Pygmalion in der Rolle des »Bildhauers«, der mit seiner Klangskulptur eine mediterrane Sehnsuchtswelt voller Mythen zum Leben erweckt.

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Der Kompositionsauftrag wurde gefördert von der Ernst von Siemens Musikstiftung