One line

Lars Petter Hagen: Harmonium Repertoire

für Ensemble

(2015)

Fünf Fragmente aus dem Harmonium Repertoire Archiv.
Reflektionen über Bruckner, Strauss, Berg, Mahler und Schönberg.
(Lars Petter Hagen)

 

 

Ausschnitt aus einem Interview von Eivind Buene mit Lars Petter Hagen
Eivind Buene(EB) Du hast in einer Fortführung der seriellen Tradition begonnen zu komponieren, aber hast einen Punkt erreicht, an dem Du tonales Material einbezogen hast. Und es scheint von Deinem »Norske Arkiver« zu »To Zeitblom« eine graduelle Vereinfachung von Textur und Harmonie zu geben.

 

Lars Petter Hagen (LPH) Ich war immer fasziniert von der Idee der Reduktion und versuchte, eine Art von Essenz zu finden, was immer das sein könntevielleicht, weil es unmöglich ist. Viel von der Art, wie ich mich ausdrücke, liegt an diesem Bestreben, an dem vergeblichen Festhalten an einer Idee, dass es einen Kern von etwas geben könnte. Darin liegt eine Form von Idealismus; Glaubeoder zumindest Hoffnung. Die Idee der Transzendenz, der Versuch, aus sich herauszutreten, ist für mich wichtig.

 

EB Du sprichst von Hoffnung, aber in Deinen Titeln und Programmnotizen finden wir eher Worte wie Trauer, Melancholie, Hoffnungslosigkeit, Resignation…

 

LPH Ich war immer an Musik als einer Form von Reflektion interessiert, und Melancholie ist ein reflektierendes Verhalten im Leben, eine aktive Antwort auf etwas. Daher kann sie auch eine positive kreative Kraft sein. Der Philosoph Espen Hammer schreibt über diese Themen in seinem Buch Det indre mørke (Die innere Dunkelheit), über die Kulturgeschichte der Melancholie. Es geht nicht um Trauer und Depression, sondern um das Vergegenwärtigen der Endgültigkeit: Du weißt, dass Du sterben wirst, und das Akzeptieren dieser Tatsache ist der einzige Weg, sich aufs Leben zu beziehen. Für mich funktioniert das auch als Kompositionstechnik: zu realisieren, dass es unmöglich ist.

 

EB Zwei andere Begriffe, die Dir wichtig zu sein scheinen, sind Ruinen und Archive. Ist Deine Beschäftigung mit Gedächtnis in erster Linie ein Ausdruck einer Tendenz zur Nostalgie?

 

LPH Musik ist innig verbunden mit Gedächtnisdurch die Zeit. Wir erleben Musik in Verbindung mit etwas Vergangenem. Dies ist die Methode, wie wir musikalische Form erfahren. Ein Archiv, eine Sammlung, verkörpert genau das Gedächtnis, insofern gehören diese Dinge für mich zusammen. Die Erkenntnis, dass Zeit unumkehrbar ist, wurde »Das Zerstörungs-Motiv der Melancholie« genannt. Ich bin interessiert an der Vergänglichkeit von Dingen, mit denen sich der Schriftsteller Tor Ulven sehr befasst hat; es ist das Gegenteil von Nostalgie. Ich möchte nicht zurückgehen; ich liege in meinem Grab und lächle über die Welt.